Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht einer Betreuten in der Abt. Ambulant Betreutes Wohnen

Vor zwei Jahren

war eine Klinik für ein paar Monate mein zu Hause. Vor zwei Jahren habe ich jeden Tag in den Spiegel gestarrt und das Wesen gehasst, das mir dort entgegenblickte. Und vor zwei Jahren war ich physisch und psychisch ziemlich am Ende.

Heute

lebe ich in einer wunderschönen Wohnung in Essen, die mein ganzer Stolz ist. Heute blicke ich in den Spiegel und erkenne mein Gesicht und akzeptiere es als zu mir zugehörig. Oft gefällt es mir. Heute fühle ich mich physisch vollkommen fit und psychisch auch gut. Ich habe große Pläne für die Zukunft, der ich optimistisch entgegenblicke.

Was in der Zwischenzeit passiert ist, davon möchte ich euch jetzt gerne berichten und euch Mut machen Hilfe anzunehmen.

Nach meinem Klinikaufenthalt hat sich ziemlich viel verändert in meinem Leben. Als ich aus der Klinik entlassen wurde ging es mir deutlich besser als vorher. Ich bin in eine eigene Wohnung gezogen, habe mir Unterstützung geholt in Form von wöchentlicher Therapie und Betreuung durch die Eggers Stiftung.

Meine Hobbys und mein Alltag haben sich grundlegend verändert. Ich habe z. B. angefangen viel mehr mit Freunden zu unternehmen, mir auch mal etwas Gutes zu gönnen.

Auch meine Beziehung zu meiner Familie hat sich zum positiven entwickelt und meine Beziehung zu mir selbst ebenfalls.

Ich habe viele mir vorher unbekannte Seiten des Lebens kennen gelernt. Das hat zu teils kleineren, aber auch größeren Irritationen geführt. Die wiederum dazu geführt haben, dass ich gerne wieder zu meinem alten Muster, der Essstörung, gegriffen habe. Doch anders als früher habe ich nun die Möglichkeit gehabt mit jemandem mein Verhalten zu reflektieren und vor allem wusste ich, es ist jemand für mich da, wenn es mir schlecht geht. So das ich sagen kann: ja, es gab immer noch zum Teil sehr kranke Momente nach dem Klinikaufenthalt, aber die Krankheit konnte sich nicht langfristig durchsetzen, weil ich Unterstützung hatte im Kampf gegen sie.

Wenn ich diese Unterstützung durch die Stiftung und meine Therapeutin nicht gehabt hätte, wäre ich ganz sicher nicht da, wo ich heute bin. Ich habe mein Abitur bald hinter mir, werde ein Studium im Ausland beginnen, bin überwiegend zufrieden mit mir, esse meistens ganz normal und stehe im guten Kontakt zu meinen Gefühlen. Ich liebe es mit Freunden gemeinsam zu lachen, zu schwimmen, durch die Natur zu gehen, Eis zu essen. Kein Vergleich zu meinem früheren Lebensgefühl!

So, nun erzähle ich euch etwas mehr über die Betreuung, damit ihr es euch etwas konkreter vorstellen könnt: Wenn ihr euch mit eurem Betreuer/eurer Betreuerin trefft, kann das sein, dass ihr Probleme besprecht, es kann aber auch sein, dass ihr raus geht um einfach mal auf andere Gedanken zu kommen (kann sehr hilfreich sein) oder das ihr Organisatorisches besprecht. Es ist eine sehr individuelle Betreuung.

Ich kann mich  z. B. daran erinnern, dass meine Betreuerin und ich an einem Tag wo es mir schlecht ging in ein Einkaufszentrum gefahren sind und wir haben verschiedene Parfüme getestet. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick banal, aber es war in der Situation einfach das Beste was mir passieren konnte.

Ablenkung von meinen konfusen, sich im Kreise drehenden Gedanken. Wäre ich alleine gewesen, dann wäre ich ganz sicher nicht raus gegangen. Es war eine Situation in der ich gedacht habe ich werde mein Zimmer ganz sicher nicht verlassen und mich in die Öffentlichkeit wagen.

Das Schöne am betreuten Wohnen ist aus meiner Sicht die Vielseitigkeit und Natürlichkeit.

Wer sich das Ganze wie eine Therapiesitzung vorstellt irrt. Mit meiner Betreuerin habe ich sehr viel gelacht, es war in keiner Weise irgendwie steif, so das nie das Gefühl hatte „Du bist krank und deshalb in Betreuung. Du hast dein Leben alleine nicht im Griff."

Nein! Ich hatte das Gefühl es ist okay so, da ist jemand der mich in meinem Leben begleitet und das hilft mir. Meine Betreuerin hat mir auch geholfen mich nicht schlecht zu fühlen aufgrund meiner „kranken Seite". Sie hat mich vor allem in kranken Momenten wieder an meine gesunde Seite erinnert. An mein eigentliches Ich. Das hat mir sehr, sehr geholfen.

Es gab viele schöne und humorvolle Momente, aber natürlich nicht nur. Einmal als es mir wirklich sehr schlecht ging und ich überhaupt nicht mehr wusste: Was nun? Wie geht es jetzt weiter? Da saß sie neben mir, hat mir aufmerksam zugehört und mehrfach eindringlich die Worte wiederholt: Es gibt einen Weg. Ich wusste nicht welchen, aber ich habe ihr geglaubt. Diese Situation werde ich nicht mehr vergessen.

Es gibt ihn diesen Weg. Das Leben ist und bleibt eine Berg und Talfahrt. Dieses Symbol ist so abgenutzt, aber es wird immer aktuell bleiben. Es ist einfach zeitlos.

Vor zwei Jahren glich mein Leben einer Talfahrt, dann ging es langsam und schließlich immer schneller bergauf. In der Zeit, in der ich von der Eggers Stiftung betreut wurde, ging es mal auf mal abwärts. Jedoch haben die Aufwärtsfahrten überwogen.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es einen Grund weniger in meinem Leben geben wird, der unweigerlich für Abwärtsfahrten sorgt: die Essstörung. Und dafür werde ich weiterhin kämpfen! Sie ist noch ganz leise da, im Hintergrund, klopft ab und zu an als wolle sie mir sagen: Vergiss mich nicht, ich gehöre auch noch zu dir.

Aber: Sie hat nicht mehr das Steuer in der Hand. Ich bin es der mein Boot lenkt. Das es dazu kommen konnte, dafür ist auch die Eggers Stiftung bzw. meine Betreuerin verantwortlich.

An dieser Stelle: DANKE für alles.

Und abschließend noch mal eine Bitte an dich: Du liest dir diese Seite durch und bist dir vielleicht noch nicht sicher ob du dir Hilfe holen sollst. Ich kann dich dazu nur ermutigen.

Eine unter vielen Weisheiten, die ich für mich mitnehmen konnte aus der Zeit ist die Folgende:

Es ist keine Schwäche sich helfen zu lassen, sondern eine Stärke.

Ich wünsche dir alles Gute.

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